10.07.2021 18:52 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Julie de Boor, verw. von Ploos van Amstel, geb. Unna (1848-1932) |
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Julie de Boor, verw. v. Ploos van Amstel, geb. Unna,* 21.07.1848 in Hamburg, † 04.06.1932 in ebd., Portraitmalerin in Hamburg. Tochter des Dr. med. Moritz Adolph Unna und der Ida Sara Pauline Gerson (Tochter des Arztes Georg Hartog Gerson). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Julie de Boor, geb. Unna war eine führende Portraitmalerin der Hamburger Gesellschaft, die während ihres künstlerischen Schaffens annähernd 500 Bilder anfertigte. Ihren ersten Malunterricht erhielt sie als Kind in einer jüdischen Mädchenschule, später bei dem Zeichner C. W. Bernhard Mohrhagen (1814-1877), der unweit ihres Elternhauses wohnte. Ihm folgte der Maler Hermann Steinfurth (1823-1880).[2] Im August 1873 heiratete sie in Hamburg den Bankier Dr. Adrian von Ploos van Amstel aus Heidelberg. Wenige Monate später, im April 1874, geriet das dortige Bankhaus Gebr. Zimmern, dessen Teilhaber v. Ploos van Amstel war und für das er mit seinem Privatvermögen haftete, in Schieflage. Der Versuch bei Hamburger Verwandten einen Kredit zu beschaffen scheiterte. In seiner Verzweiflung beendete er sein Leben mit einer Pistolenkugel und machte seine schwangere Ehefrau zur Witwe.[3] Sieben Monate später kommt Tochter Paula Jacoba (1874-1857) zur Welt[4]. 1876 verließ sie Hamburg um sich bei dem Genre- und Bildnismaler Karl Gussow (1843-1907) in Berlin weiter auszubilden. Gussow lehrte seit Oktober 1875 als Professor an der Akademie der Künste und führte wenig später ein Damenatelier, in dem Künstlerinnen private Unterrichtsstunden nehmen konnten, die ihnen an der Akademie verwehrt wurden. Im Frühjahr 1878 ging Julie zusammen mit Sophie Sthamer[5] nach Paris, wo sie in der von Künstlern beliebten Rue des Beaux-Arts wohnte. Hier nahm sie Unterricht bei Émile Auguste Carolus-Duran und Jean-Jacques Henner, die gemeinsam „l'atelier des dames" führten (auch in Paris wurde Frauen der Zugang an den staatlichen Kunstschulen nicht gestattet). Im berühmten Salon de Paris wurden ab Mai 1880 eine Studie und das Portrait der Mlle H. ausgestellt, obgleich die Anzahl der gezeigten Objekte in die Tausende ging, für Künstler war die im Ausland viel beachtete und prestigeträchtige Aufnahme nicht selten der Beginn einer Reihe von Auftragsarbeiten. Nach zweijährigem Aufenthalt an der Seine hatte sich ihr künstlerisches Talent soweit ausgebildet, dass sie sich, 1880 nach Hamburg zurückgekehrt, fortan der Portraitmalerei widmete. Noch im selben Jahr entstanden die Bilder der Flora Robinow[6] und ihrer Tochter Adele. Begünstigt durch das gesellschaftliche Umfeld ihres Vaters, dem bekannten Arzt Dr. Moritz Adolph Unna, wuchs die Zahl der Aufträge. Nicht weit von dessen Haus in der Dammthorstr. 31, wo Julie und Tochter inzwischen wohnten, lernte sie den Historienmaler Hermann de Boor (1848-1889) kennen, der im Garten seines Elternhauses, Rothenbaum-Chaussee 197, ein Atelier hatte. Die gemeinsame „Freude an der Malerei und Musik, zu welcher sie anregend, fördernd und selbstthätig beitrug"[7], verband die beiden Künstler, die nun die Tage gemeinsam im Atelier verbrachten. Nach Jahren der innigen Freundschaft schlossen sie am 21. August 1888 den Bund fürs Leben. Die nächsten 7 Monate verbrachten sie überwiegend in Venedig. Zwischenzeitlich ließ Hermann de Boor auf dem elterlichen Grundstück - neben dem großen, alten Atelier - ein kleines, einstöckiges Haus als Künstlerwerkstatt errichten, in das sie nach ihrer Rückkehr im Frühling 1889 einziehen wollen.[8] Doch ihr Ehemann erkrankt erneut an einer Miliartuberkulose und starb - noch nicht 41 Jahre alt - am 30. November 1889. In ihrer Trauer fand sie Trost in der Gesellschaft anderer, bei der sich, unterstützt durch zahlreiche Freunde (u.a. durch den Bürgermeisters Carl F. Petersen und dessen Tochter Toni Petersen[9]) häufig Gelegenheit bot, neue Portraits anzufertigen. Ging sie auf Reisen, suchte sie den Umgang mit Künstlern und Intellektuellen aus den höheren Gesellschaftskreisen, wie sie seit der Jahrhundertwende auf der Insel Brioni (Brijuni) anzutreffen waren.[10] Der Mittelpunkt ihres künstlerischen Schaffens - und für Jahrzehnte ein „Sammelpunkt geistig und künstlerisch interessierter Menschen"[12] - wurde allerdings das kleine Atelierhaus[11] (Moorweidenstr. 19). Hier entstanden die meisten ihrer vermutlich rund 500 Portraits - darunter eine Vielzahl verdienter Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Erziehung, Rechtswissenschaft und der Hamburger Kaufmannschaft, die sich aus dem gesamten norddeutschen Raum erstrecken. Ihre Werke, meist Brustbilder, bei denen sie Öl- oder Pastellfarben aber auch Farbkreide nutzte, sind heute vermutlich überwiegend im Besitz der Nachkommen ihrer porträtierte Auftraggeber. Eine kleinere Anzahl befindet sich in öffentlichen Einrichtungen, darunter dem Rathaus, der Handelskammer und dem Museum für Hamburgische Geschichte. Der Hamburger Kunsthalle vermachte Julie de Boor eine fast 4000 Stück umfassende Sammlung von Gemälden, Kupferstichen und Zeichnungen.[13] |
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Werke (Auswahl) |
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________ [1] Foto von Julie & Hermann de Boor (1888/89). Familienarchiv de Boor - Landesarchiv Schleswig Abt. 399.9 Nr. 55. [2] Staatsarchiv Hamburg, 731-8 Zeitungsausschnittsammlung, Nr. A 752, Boor, Julie de. [3] Der Selbstmord von Adrian von Ploos van Amstel geschah in Unkenntnis der wahren finanziellen Situation des Bankhauses. Er hielt sich irrtümlicherweise für zahlungsunfähig, letztendlich betrug der Verlust der Gläubiger aber nur rund 20 Prozent. [4] Paula Jacoba heiratet 1902 den Hamburger Kaufmann Johann Konrad Mestern in New York. Sie starb 1957 in Mexiko. [5] Sophie Sthamer (1855-1940) absolvierte ihre Ausbildung zur Kunstmalerin ebenfalls bei Karl Gussow in Berlin. Nach der gemeinsamen Zeit in dessen Damen-Atelier, gingen sie zusammen nach Paris. PUSBACK, Bärbel: Mutter-Tochter-Beziehung in einer bildungsbürgerlichen Familie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Geschlechterbeziehungen in der Neuzeit. 2005. [6] "Floras Portrait von Frau Julie v. Ploos van Amstel, geb. Unna, ist ganz vorzüglich gelungen und wird eine fortwährende Quelle des Vergnügens für mich sein." Hermann Moses Robinow in: Aus dem Leben eines Hamburger Kaufmanns. Nach seinen Tagebüchern geordnet von Adele Jaffé. Leo Baeck Institute in New York. S. 16; Eintrag mit Datum 9. November 1880. Das Bild befindet heute sich im Museum für Hamburgische Geschichte. [7] Familienarchiv de Boor - Landesarchiv Schleswig Abt. 399.9 Nr. 5. Kunstmaler Claus Hermann de Boor. Darin Zeitungsartikel anlässlich einer Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, 1891. Name der Zeitung und Verfasser unbekannt. [8] Das Haus ihrer Eltern in der Dammthorstr. 31 wurde im September 1888 für 130.000 Mark verkauft, nachdem der Vater im Frühjahr gestorben war. [9] Antoine (Toni) Petersen (1840-1909) lud über Jahre regelmäßig Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur in ihr Haus, bei denen auch Vertreter der Politik nicht fehlten. Julie de Boor war dort in einen Zeitraum von fast anderthalb Jahrzehnten immer wieder Gast (mehrfach mit Tochter Paula). Der letzte Eintrag im Gästebuch findet sich im Jahr 1903. [10] Die Insel in der Adria war vor dem 1. Weltkrieg ein internationaler Treffpunkt des gehobenen Bürgertums, Adels und zahlreicher Intellektueller aus ganz Europa. Im Frühjahr 1912 verbrachte sie mit ihrem Bruder, dem Dermatologen Paul Unna, einen Monat auf der Insel. [11] Das Haus in der Moorweidenstr. 19 wurde 1943 durch einen Bombenangriff zerstört, nachdem der Kunstmaler Fritz Kronenberg es seit ca. 1933 als Wohnung und Atelier genutzt hatte. [12] Staatsarchiv Hamburg, 731-8 Zeitungsausschnittsammlung, Nr. A 752, Boor, Julie de. [13] Freundliche Mitteilung der Hamburger Kunsthalle an den Verfasser, 2005. |
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© Ulrich A. de Boor 2015 |