22.08.2020 12:17 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Hans Adolf de Boor (1882-1954) |
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Hans Adolf de Boor, * 15.05.1882 in Münster (Westfalen), † 28.10.1954 in Hamburg. Dr. jur., Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg. Sohn des Archivdirektors Dr. Albert de Boor u. der Emma, geb. Mommsen (T. des Tycho Mommsen). | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Hans Adolf de Boor wuchs - nach der Berufung seines Vaters an das Preußische Staatsarchiv - in Schleswig auf und besuchte von 1889 die dortige Königliche Domschule, die er 1900 mit dem Zeugnis der Reife verließ.[1] Anschließend begann er in Lausanne ein Studium der Rechtswissenschaft, das er an den Universitäten in Leipzig (deutsches bürgerliches Recht bei Emil Strohal und Eduard Hölder) und Berlin (Strafrecht bei Franz von Liszt) fortführte. 1902 immatrikulierte er sich in Kiel und absolvierte bei Georg Kleinfeller die Vorlesungen über Zwangsvollstreckung und Konkursrecht, sowie Strafprozessrecht. Im Jahr darauf legte er die erste juristische Prüfung ab und trat als Referendar in den preußischen Staatsdienst ein.[2] Mit der 1905 in Rostock erfolgten Dissertation Die Rechtsfolgen einer materiell nichtigen Ehe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch wurde Hans Adolf de Boor zum Dr. jur. promoviert. Nach dem juristischen Vorbereitungsdienst am Amts- u. Landgericht Altona, folgte 1909 die zweite juristischen Prüfung in Berlin. Als Gerichtsassessor war H. A. de Boor zunächst kommissarisch beim Königl. Amtsgericht in Mölln sowie beim Landgericht in Flensburg beschäftigt, in den Gerichtsferien vertrat er verschiedentlich Rechtsanwälte am Reichsgericht in Leipzig. Nach einem längeren Aufenthalt im Ausland (u.a. in England) bewarb er sich 1913 für den Hamburgischen Justizdienst und wurde dort - durch Beschluss des Senats - am 01. Januar 1914 zum Richter am Landgericht ernannt. H. A. de Boor galt als Richter mit überragenden Fähigkeiten und arbeitete - zuletzt als Vorsitzender der 5. Kammer für Handelssachen - bis 1929 am Landgericht, ehe er am 15. Juni zum Oberlandesgerichtsrat ernannt und dem zweiten Zivilsenat zugeiteilt wurde. Unter dem damaligen Senatspräsidenten Hermann Sievers und der gemeinsamen Arbeit mit Wilhelm Kiesselbach erwarb de Boor sich große Anerkennung. So heißt es in einer Beurteilung über ihn: "Er verbindet mit kritischem Verstand und hervorragendem wirtschaftlichen Verständnis ausgezeichnete Rechtskenntnisse und einen ausgesprochenen Sinn für wissenschaftliche Durchdringung schwieriger Rechtsfragen."[2] Gesellschaftlich trat er nur selten in Erscheinung, da ihm neben der hohen Arbeitsbelastung auch die fehlenden finanziellen Mittel daran hindern. Gelegentlich nahm er Reitstunden, hielt sich mit Turnübungen in Form und gehörte seit 1920 dem Kunstverein Hamburg[3] an. Häufig war er Gast bei Senatspräsident von der Decken[4], mit dem ihm Anfangs eine Freundschaft verband. Darüber hinaus hielt er lose Kontakte zu ehemaligen Offizieren aus der gemeinsamen Zeit während des Ersten Weltkrieges - politisch uninteressiert, besuchte er die angeordeten Versammlungen oder den Hamburger Nationalklub nur widerwillig, die er als Zeitverschwendung empfand und von der Arbeit abhielten.[5] Während des Nationalsozialismus kam es in der Hamburger Justiz zu "Säuberungen", die zunächst als sogenannte Verjüngungskuren getarnt, eine Vielzahl von missliebigen Richtern aus ihren Ämter zwangen. Die Übrigen wurden auf Linie gebracht, wer sich dennoch nicht zum Eintritt in die Partei gemeldet hatte, bekam den Druck von oben zu spüren. "So reduzierte sich die Zahl der Justizjuristen, die aus freier Entscheidung und mit dem entsprechenden Risiko den Eintritt in die NSDAP verweigerten, auf etwa 15 Personen (knapp 5 % sämtlicher Justizjuristen)."[6] Einige hielten den Kontakt zu entlassenen Richtern aufrecht. "Zu ihnen gehörte der Oberlandesgerichtsrat de Boor, der - von der Landesjustizverwaltung nach den Gründen gefragt, warum er der NSADAP nicht beigetreten sei - angab, er wolle sich nur ungern von persönlichen, nicht in der Öffentlichkeit erfolgenden Verkehr mit früheren jüdischen Richtern (Lassally, Rud. Wohlwill) lösen."[7] Nach Kriegsende erhielt Hans Adolf de Boor von der britischen Militärregierung am 21. August 1945 die Genehmigung zur Ausübung des Berufes als Richter und wurde zunächst der wiedereröffneten Dienststrafkammer beim Oberlandesgericht zugewiesen. Auf sein Ersuchen hin erfolgte 1946 die Versetzung in die Nachlaßabteilung des Amtsgerichts, wo er bis zu seinem Ruhestand im Juni 1947 tätig war. Seinen Lebensabend genoss er, indem er mit großer Freude lange vernachlässigte Neigungen aus der Jugendzeit nachging, zum Teil als Gasthörer an der Universität. |
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________ [1] Jahresbericht über die Königliche Domschule (Gymnasium mit Realschule und Vorschule) zu Schleswig, 1900. [2] Staatsarchiv Hamburg (StA Hbg), 241-2_A 3182 Boor, Adolf Hans de, Dr. 1903-1954. [3] Die in der Hamburger Gesellschaft beliebte Portraitmalerin Julie de Boor, geb. Unna (1848-1932) war seine Tante. Aus ihrer Hand stammen u.a. die beiden Gemälde der Landgerichtspräsidenten Christian Ludwig Arning und Ernst Gosslar im Plenarsitzungssaal des Landgerichts. [4] Melchior Christoph Kuno Hermann von der Decken (1886-1953) und Hans Adolf de Boor wurden im März 1913 gemeinsam beeidigt und als Assessoren in den hamburgischen Justizdienst übernommen. Später verkrampfte sich das Verhältnis zunehmend (Melchior v. d. Decken trat 1937 in die NSDAP ein). 1946, nach der Wiederbesetzung der Richterstellen durch die britische Militärverwaltung, bat de Boor um Versetzung, da er Schwierigkeiten mit v. d. Decken habe. [5] Familienarchiv de Boor - Landesarchiv Schleswig Abt. 399.9 Nr. 11. Briefe von H. A. de Boor meist an seine Eltern betreffend Ahnenforschung 1933-1939. [6] Justizbehörde Hamburg (Hg.) "Für Führer, Volk und Vaterland..." Hamburger Justiz im Nationalsozialismus. Dr. K. Bästelein, H. Grabitz, W. Scheffler (Red). [7] MORISSE, HEIKO: Ausgrenzung und Verfolgung der Hamburger Juristen im Nationalsozialismus, Band II, Beamtete Juristen. Göttingen 2013. |
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© Ulrich A. de Boor 2015 |