28.12.2021 17:11
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Wolfgang de Boor (1881-1967)

 
      Carl Gotth.
de Boor
1848-1923
oo Manon
Meyer
1854-1952
     
        |        
       Wolfgang
de Boor

1881-1967
oo Elise
Hüttel
1894-1957
Manon

1883-1967
Helmut

1891-1976
Werner

1899-1976
              
    |            
  Ursula

1915-2001
Wolfgang

1917-2014
Clemens

1920-2005
         
Wolfgang de Boor, * 06.08.1881 in Berlin, † 07.08.1967 in Schötmar. Obersteuersekretär. Sohn des Byzantinisten Carl Gotthard de Boor und der Manon, geb. Meyer (T. des Architekten Ludwig Meyer). 1914 Heirat mit der Marburger Schriftstellerin und Anthroposophin Elise (Lisa), geb. Hüttel.

Der Sohn des Byzantinisten Carl de Boor und dessen Ehefrau Manon geb. Meyer wuchs erst in Bonn und später in Breslau auf, wo der Vater eine Stelle an der Universitäts-Bibliothek inne hatte. Wolfgang besuchte von 1891 bis Ostern 1900 das dortige Johannes-Gymnasium.[1] Seine anfällige Gesundheit zwang ihn nach dem Abitur zunächst zu einem Erholungsaufenthalt in Lausanne. Sein wachsendes Interesse an einer Offizierslaufbahn ließ ihn das geplante Jurastudium jedoch aufgeben und nach einer Untersuchung durch den Militärarzt trat er im Oktober 1901 in das 4. Garde-Feldartillerie-Regiment in Potsdam ein. Nach der Dienstzeit zum Unteroffizier folgte der Besuch der Kriegsschule in Engers am Rhein, ehe er wieder zum praktischen Dienst in das Regiment zurückkehrte.
Der Beginn einer Krankheit und die den Körper schwächenden Folgen machten es unmöglich in dem Soldatenberuf zu bleiben, erst beurlaubt, wurde ihm schließlich 1911 der Abschied bewilligt.[2]

Er folgte nun seiner zweiten Leidenschaft und kaufte 1913 ein Obstgut in der Dorfschaft Schürsdorf (Schleswig-Holstein), nahe Klingberg, einem Ort, der erst wenige Jahre zuvor von dem sächsischen Lebensreformer Paul Zimmermann geründet wurde und neben Obstbauern auch Freigeister und Künstler anzog.
Nach der Hochzeit (1914) mit Elise Hüttel (1894-1957), Tochter eines Kirchhainer Fotografen, wurde Wolfgang im August desselben Jahres erneut für den Militärdienst rekrutiert und bildete zunächst in der Garnison Itzehoe junge Freiwillige aus, ehe er 1915 in das belgische Beverlo versetzt wurde. Währenddessen kehrte Lisa nach der Entbindung des ersten Kindes in Kirchhain wieder an die Ostsee zurück, wo sie bald darauf mit dem Umbau des Hauses begann. Die nächsten Jahre verbrachten sie auf dem Holsteiner Besitz, doch nach der Geburt des zweiten Kindes und den Entbehrungen seit Kriegsende wuchs der Wunsch nach einer Rückkehr in die Heimat. 1919 wurde das Gut verkauft und die Familie begann den Bau eines Hauses im hessischen Kirchhain, wo im folgenden Jahr ihr drittes Kind zur Welt kam.[3] 

Der Erlös aus dem Verkauf schmolz infolge der Inflation und den enorm steigenden Baukosten jedoch zunehmend dahin und zwang die Familie den Bau des Hauses zu unterbrechen und in dem schon fertigen Untergeschoss zu wohnen, da Wolfgang, der sich als Obstzüchter betätigte, über kein geregeltes Einkommen verfügte. Die Hoffnung auf eine feste Arbeitsstelle ging 1921 in Erfüllung - dafür zog er zunächst allein in das Marburger Elternhaus am Rotenberg 8 und erst nach dem Tod seines Vaters und dem Verkauf des unfertigen Haues kam Lisa mit den Kindern nach. 
Eine Anstellung als Obersteuersekretär beim Marburger Finanzamt verhalf Wolf und Lisa nach Jahren der Entbehrungen nun zu einer verhältnismäßig sorgenfreie Zeit und das Haus mit Garten wurde in den nächsten Jahren zu einem Ort zahlreicher literarischer und religiöser Begegnungen mit Freunden, vielen Gästen und einer nicht geringen Anzahl von Untermietern.
Haus am Rotenberg 8                            
Während sich Wolfgang in der Hochkirchlichen Vereinigung Augsburgischen Bekenntnisses e.V.[4]
engagierte, fand Lisa in der anthroposophischen Bewegung und in der von Rudolf Steiners Ideen geprägten Christengemeinschaft ihre Erfüllung. Die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft war auch der Grund für Lisa de Boors Verhaftung im Juli 1941, mit der die Beiden zwar gerechnet hatten, bei Wolfgang aber dennoch eine tiefgreifende Bestürzung auslöste.[5] Die Ereignisse aus den Jahren 1938-1945 schrieb die Ehefrau in ein Tagebuch, das später veröffentlicht wurde.[6] 
Nach seiner Pensionierung verbrachte der ehemalige Steuerinspektor viel Zeit im Garten - auch wenn ein Lungenleiden ihm zusehends zu schaffen machte.

 
 
 
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[1] Programm des Städtischen Johannes-Gymnasiums zu Breslau für das Schuljahr von Ostern 1899 bis Ostern 1900. Herausgegeben von Professor Dr. Depène. Breslau 1900.
[2] Militär-Wochenblatt, Band 96, Teil 1, E. S. Mittler, 1911.
[3] Aus dem Tagebuch (Teil 2, geführt von 1914-1923) der Mutter Manon de Boor.
[4] Wolfgang de Boor war von 1930-33 dessen Geschäftsführer in Marburg.
[5] Nach Lisas Verhaftung schrieb Wolfgang am 23.07.1941 an Mutter und Schwester in München: "Ich habe in dieser Stunde etwas kennen gelernt, was meiner ruhigen, kühlen Natur bisher fremd war, kalten, unauslöschlichen Haß gegen dieses ganze Nazi-System mit allem, was drum und dran hängt. Gott sei Dank, daß ich für diesen Staat bald keinen Finger mehr zu rühren habe."
[6] Lisa de Boor: Tagebuchblätter aus den Jahren 1938-1945. Biederstein Verlag München, 1963.



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