10.07.2016 12:00
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Die Akademie für Malerei und Bildhauerei in Kassel (L'Academie de Peinture et de Sculpture de Cassel)

In der fürstlichen Residenz- und Hauptstadt Kassel gründete Landgraf Friedrich II. (1720-1785) eine Kunst-Akademie nach italienischem Vorbild, wie er sie auf seiner Reise in Rom und Bologna kennengelernt hatte. 1775 löste er zunächst den Bereich der schönen Künste aus der Gelehrtenschule, dem Collegium Carolinum, heraus und gab ihr ein eigenes Gebäude. Wenig später „beschloß der Landgraf die Stiftung einer vom Collegio abgesonderten Mahler- und Bildhauer-Akademie, und deren zweckmäßige Einrichtung"[1], und bereits im folgendem Jahr fand die Eröffnung und erste Ausstellung von Gemälden, Modellen und Zeichnungen statt. Die im Dienst des Landgrafen angestellten Professoren lehrten nun auch an der Académie de Peinture et de Sculpture de Cassel, darunter der Hofarchitekt Simon Louis du Ry (1726-1799), der Bildhauer Johann August Nahl (1710-1785) und Hofmaler Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722-1789).


Das zur Kunstakademie eingerichtete Fürstliche Haus
in der Bellevuestr.
Sitz der Akademie von 1775 bis 1808.
Nicht alle Schüler, die die Akademie besuchten, hatten die Absicht Künstler zu werden - jeder wurde zugelassen, wenn er sich nur weiterbilden wollte.
Der Unterricht fand je nach Fähigkeiten der Schüler in unterschiedlichen Klassen statt und gipfelte unter Zahlung eines Lehrgeldes in den Werkstätten der Akademielehrer.
An Anschauungsmaterial mangelte es dem Nachwuchs kaum, waren die Zimmer und Säle des Akademiegebäudes doch reichlich mit Gemälden aus dem Fundus des Landgrafen gefüllt.[2]
Waren unter den Schüler-und Meisterarbeiten für die jährliche Ausstellung Werke, die unter den Mitgliedern der Akademie so großen Beifall fanden, konnten besondere Auszeichnungen zuerkannt werden und oder sie würdigten den Künstler mit einer Mitgliedschaft. Dieser vermachte der Akademie dann ein
sogenanntes Aufnahmestück.[3]

Artikel 5 der Satzung ermöglichte auch Frauen die Aufnahme in der zweiten Klasse und wie Hermann Knackfuss in seiner Abhandlung über Die Geschichte der Königlichen Kunstakademie zu Kassel bemerkte: Das Merkwürdige an diesen Satzungen ist jedenfalls die wohl ohne Beispiel dastehende ausdrückliche Erklärung, daß Damen zu Mitgliedern der Akademie gewählt werden konnten."
 
Zu den wenigen Frauen, denen die Aufnahme als Membres amateurs an der Akademie gewährt wurde, zählten zunächst „die Frau Regierungsräthin Schmerfeld, die Frau Professorin von Apell, gebohrne Tischbein aus Cassel, und die Frau Lampe, gebohrne Zisenis [Ziesenis] ..."[4] (alle im März 1780) und auf der im selben Jahr erfolgten Herbstversammlung der Maler- und Bildhauer-Akademie wurde die Frau „M. E. de Boor zu Hamburg, wegen ihrer Kunst im Miniaturmalen, unter die Zahl ihrer Ehrenmitglieder aufgenommen."[5]

Einige Monate zuvor hatte Maria Elisabeth de Boor eine Miniatur angefertigt und sie an die Akademie geschickt. Die Antwort auf ihr Aufnahmestück schrieb der Professor für Baukunst und ständige Sekretär, Simon Louis dy Ry, der gemäß den Statuten der Akademie neben dem Briefwechsel auch als erste Anlaufstelle für die Aufnahme neuer Mitglieder zuständig war. Der in französischer Sprache abgefasste Brief mit Datum vom 26. Oktober 1780[6] erreichte sie in Hamburg und enthielt neben der Ernennung zum Ehrenmitglied, ein Diplom und die in einem kleinen Heft abgedruckte Satzung mit den 19 Artikel[7] der Akademie.

M. E. de Boor mit Palette und Pinsel     
                            Sehr geehrte Frau

Hofrat Professor Tischbein hat der Akademie für Malerei und Bildende Künste 
von Kassel die gemalte Miniatur, die Sie ihm geschickt haben, vorgelegt
und die Akademie von Ihren Fähigkeiten sowie Ihrer Liebe für die Künste,
die diese Institution vertritt, in Kenntnis gesetzt.
Daraufhin hat die Akademie Sie als Amateurin zu ihrem Ehrenmitglied
ernannt. Ich wurde beauftragt, Ihnen das beiliegende Diplom sowie ein
Exemplar des Reglements der Akademie zu übersenden.

Ich bin, sehr geehrte Frau, mit vorzüglichster Hochachtung

                                                                      Ihr ergebener und
Kassel, den 26. Oktober                                      gehorsamer Diener
      1780.                                                            S. L. Du Ry
                                                     Hofrat und Professor der Architektur






 
 

     Wir, die Präsidenten, Ehrenmitglieder, Direktoren und Professoren der
     Akademie für Malerei und Bildhauerei von Kassel erklären hiermit, dass wir
     mit der vollen Zustimmung ihres erhabenen Gründers Friedrich II., regierender
     Landgraf von Hessen,

     Frau M. E. de Boor aus Hamburg

     die allen von der Akademie gewünschten Anforderungen entspricht,

     als Amateur die Ehrenmitgliedschaft

     bewilligen und sie als solche an unseren Versammlungen teilnehmen kann
     als auch die Immunitäten, die in unserem ihr mit diesem Diplom zugesandten
     Reglement der Akademie aufgeführt sind, in Anspruch nehmen kann.

          Kassel, den 27. September 1780
                                                                                                                      
                                                                         S.L. Du Ry
                                                                       ständiger Sekretär

Seit 1779 überreichte die Akademie Diplome an ihre Mitglieder, „eines für die Ehrenmitglieder, Direktoren, Professoren und Akademiker, das andere für die korrespondierenden Mitglieder. Die Diplome für korrespondierende Mitglieder unterschieden sich dadurch, daß in ihnen eine Ermahnung zu möglichst regelmäßiger Berichterstattung angefügt war."[8] 
Ein solches korrespondierendes Mitglied war Joh. Anton Tischbein (1720-1784), ein Bruder des Akademie-Direktors, der in Hamburg eine Zeichenschule leitete und zudem an der Gelehrtenschule des Johanneums unterrichtete.
Unterricht hatte Maria Elisabeth de Boor bei ihrem Aufenthalt in Kassel bei J. H. Tischbein d. Ä.[9] und dies vermutlich eher als Schülerin in dessen Werkstatt, als in den Klassen der Akademie. Zwar sind Hinweise über Art und Umfang des Unterrichts an der Akademie kaum bekannt, doch scheint sich die Schülerin auch mit der Schaffung von Skulpturen beschäftigt zu haben, da sich in ihrem Nachlass neben einer nicht geringen Menge an Gemälden auch eine Masse an Gipssachen befanden.
In dem Atelier des Meisters Tischbein entstanden 1781 wahrscheinlich auch die beiden Portraits der „Frau de Boor" und ihres Ehemannes Johann Abraham de Boor.

Ob sie auch zu den jährlich stattfindenden Ausstellungen anreiste ist nicht überliefert, sicher ist jedoch, dass sie - wie auch die übrigen Mitglieder - die Aufmerksamkeit des Publikums zur Preisverleihung nutzte und Arbeiten zur Schau in den Sälen der Akademie einschickte. So wird über die 6. Ausstellung im März des Jahres 1783 berichtet: „Madame de Boor aus Hamburg hatte die Anzahl der Arbeiten vom schönen Geschlecht vermehrt, und zwei schöne Landschaften der Frau Regierungsräthin von Schmerfeld in Oel gemahlt, erwarben sich den größten Beifall der Kenner."[10]
 
 
 
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[1] Johann Georg Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, oder System der Stats-Stadt-Haus- und Land-Wirtschaft, und der Kunst-Geschichte, in alphabetischer Ordnung. Berlin 1791, S. 182.
[2] Ein von Prof. Causid im Jahr 1783 gedrucktes Verzeichnis der Hochfürst. Hessischen Gemäldesammlung in Cassel führt für alle Gebäude 834 Stücke auf.
[3] Statuten der Akademie der Malerey- und Bildhauer-Kunst, v. 15. Oct. 1777. § 12: Jeder Künstler der ersten und zweyten Classe liefert in dem ersten Jahre seines Antrittes der Akademie sein Aufnahme-Stück, welches sie behält.
[4] in: Hamburger Correspondent Nr. 48, 1780.
[5] ebd. Nr. 178, 1780.
[6] Die gewöhnlichen Versammlungen der Akademie fanden am letzten Mittwoch eines jeden Vierteljahres statt. Über die Aufnahme als Mitglied entschied die Mehrheit der Versammlung mit Zustimmung des Landgrafen.
[7] Familienarchiv de Boor - Landesarchiv Schleswig Abt. 399.9 Nr. 7. REGLEMENS DE L'ACADEMIE DE PEINTURE ET DE SCULPTURE DE CASSEL, FONDÉE PAR FREDERIC II. LANDGRAVE REGNANT DE HESSE, LE 18. Octobre 1777. Die in einer Auflage von 300 Exemplaren gedruckt wurden.
[8] KNACKFUSS, Hermann: Geschichte der Königlichen Kunstakademie zu Kassel. Aus den Akten der Akademie zusammengestellt. 1908. "Der Beschluß, jedem Mitglied ein Diplom zu geben, war schon im Sommer 1778 gefaßt worden", aber erst mit Unterzeichnung (22. Mai 1779) der geänderten Satzung durch Landgraf Friedrich II. umgesetzt.
[9] "Um sich noch weiter auszubilden, reiste sie sogar nach Cassel zu meinem Onkel." In: TISCHBEIN, Wilhelm: Aus meinem Leben. Dr. Carl Schiller (Hg.). 1861.
[10] VARRENTRAPP und WENNER: Hessische Beiträge zur Gelehrsamkeit und Kunst. Erster Band; 1784.




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