10.07.2016 12:00 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Cornelia de Boor (1768-1833) |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Johanna Cornelia de Boor, * 07.01.1768 in Hamburg, † 07.12.1833 in Arolsen. Unverheiratet. Tochter des Johann Abraham de Boor, Kaufmann in Hamburg und der Malerin Maria Elisabeth, geb. Timmermann (T. d. Jochim Timmermann). | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Von der Kindheit der Cornelia de Boor ist nichts überliefert. Der Familienchronik nach, traf das Mädchen im Jahr 1783 einen jungen Mann, der anschließend um ihre Hand angehalten haben soll, „dies aber von den Verwandten nicht gebilligt worden, und so die Sache nicht zustande gekommen sei. Dies scheint sie sehr verbittert zu haben so daß mit ihren Verwandten und besonders Geschwistern gar kein, vielleicht selbst ein feindliches Verhältnis bestand."[1] Bei dem jungen Mann handelte es sich um John Quincy Adams[2], Sohn des amerikanischen Diplomaten John Adams (1735-1826), der sich in Frankreich aufhielt, um den Pariser Frieden (1783) auszuhandeln und nun seinen durch Nordeuropa reisenden Sohn zu sich rief. John Q. Adams, der sich auf dem Weg nach Paris für einige Wochen in Hamburg aufhielt[3], traf sich im März 1783 mit Repräsentanten der Stadt. Dabei machte er die Bekanntschaft mit dem Kaufmann Caspar Voght, der nicht nur zum gesellschaftlichen Mittelpunkt des aufgeklärten Hamburgs gehörte, sondern auch im Begriff war seine Unternehmungen in Nordamerika auszubauen. Der Vater von Cornelia de Boor arbeitete für Caspar Voght & Co. und sollte am Ende des selben Monats[4] im Auftrag des Hamburger Senats, die Stadt in Richtung Philadelphia verlassen, um den Vereinigten Staaten von Amerika zur Unabhängigkeit zu gratulieren und die Möglichkeit eines Handelsvertrages ausloten. Vermutlich lernte J. Q. Adams die schöne Tochter[5] des Joh. Abraham de Boor auf einem gesellschaftlichen Empfang kennen und lieben, so dass er ihr später einen Antrag machte. Das Ansinnen aber wohl - bedingt durch die Abwesenheit des Vaters - von den Verwandten verworfen wurde. Adams selbst erwähnt sie in seinen Aufzeichnungen nicht. Cornelia muss ihr Elternhaus früh verlassen und sich dem Unterricht bzw. dem Landschulwesen gewidmet haben. Der Grund für ihren Aufenthalt in Allersheim[6] (bei Holzminden) um das Jahr 1787 war nicht zu ermitteln. Offenbar stand er aber im Zusammenhang mit ihrer erzieherischen Ausbildung. Einige Jahre später wählte sie Arolsen zu ihrem Wohnsitz. In dieser kleinen Residenzstadt des Fürsten von Waldeck lebte sie weiterhin unverheiratet in der Nähe des schönen, romantischen Tränketal, wo auch der Müller von der blauen Mühle seinen Wohnsitz hatte. Demoiselle Cornelia de Boor, „eine Freundin von reizenden Gegenden und Natur Schönheiten, aufmerksam gemacht auf jene Gegend, besuchte solche oft und an den Genuß so vieler und abwechselnder Reitze reifte sich bald der Wunsch, hier ein kleines Eigenthum zu besitzen."[7] Sie trat mit dem Müller, so berichtet der Arolser Secretarius und Regierungs-Advocat Wilhelm Pflücker[8] weiter, „in Unterhandlung, bekam einige Grundstücke in Besitz und rettete ihm mehrere Morgen Land, welche Schulden halber verkauft werden sollten."[9] Im Frühjahr 1810 verkaufte sie die ehemaligen Blaumüller Neuschäferschen Länder jedoch wieder[10] - von diesem Vorgang offensichtlich wenig erfreut, begegnete ihr der vorherige Besitzer unversehens mit einer Eheverspruchsklage beim waldeckischen Konsistorium. Der von Cornelia de Boor beauftragte Advocat reagierte umgehend auf den Vorwurf des angeblichen Eheversprechens und machte deutlich, was er davon hielt: „Die ganze Welt wird darin baaren Unsinn und die unedle Absicht einer Geldschneidereÿ finden müssen." Was der Rechtsbeistand Plücker in seinem Verteidigungsschrift allerdings unerwähnt lässt, ist der Hinweis auf den Gesundheitszustand der Beklagten. Dieser wird nun durch eine Bescheinigung des hochfürstl. Waldeckischen Hofrath und Leibarztes Thomas Böger[11] bekannt, der ihr in den zurückliegenden Jahren eine erhöhte Empfindlichkeit des Nervensystems und zeitweise auftretende Wahnvorstellungen attestiert. Es gelang ihm aber „auf ihre Einbildungskraft zu wirken und nach und nach kehrte nun ihre Ruhe und Genesung zurück." Noch bevor das Konsistorium in dieser Sache zu einem Urteil kommt, lässt Friedrich Fürst zu Waldeck überraschend mitteilen, er habe von der Klage erfahren und wolle auch nicht darauf eingehen, „ob ein solches Eheversprechen, welches nicht vor Zeugen eingegangen ist, und wobey der elterliche oder verwandschaftliche Consens geständlich mangelt, überhaupt als klagbar angesehen werden kann", gibt dann jedoch im weiteren Verlauf des Schreibens dezent, aber deutlich vor, dass „diese Sache, insofern es rechtlich geschehen kann, ohne proceßualische Weitläufigkeiten zu beseitigen" sei. Das Konsistorium, seiner Unabhängigkeit sehr wohl bewusst, reagierte auf diesen Eingriff in die Gerichtsbarkeit ebenso deutlich und entgegnete, dass „die in dem fürstlichen Decrete enthaltenen Gründe, warum die Sache niederzuschlagen seÿ, erst beÿ der Endentscheidung berücksichtigt werden und zur Anwendung kommen dürfte [und] so laße sich mit Bestande der Gerechtigkeit der höhste Befehl nicht befolgen."[12] Welchen Ausgang die Klage letztendlich nahm, ist nicht überliefert. Jedoch lebte Cornelia de Boor weiterhin in Arolsen. Aus dem Vermögen ihres verstorbenen Stiefvaters Friedrich Gerhard Vogel († 1814) erhielt sie eine jährliche Rente von 2000 Franken, die ihr von nun an die finanzielle Unabhängig ermöglichte. Ein Neffe schrieb Jahrzehnte später: „Sie lebte hernach in Arolsen ganz allein mit einer alten Aufwärterin, war sehr geizig, so daß sich nach ihrem Tode eine große Menge bares Geld fand."[13] Sie starb unverheiratet am 7. Dezember 1833 in Arolsen. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
________ [1] Familien-Nachrichten der Familie de Boor von Dr. Carl de Boor, niedergeschrieben Anfang des Jahres 1853. [2] John Quincy Adams (1767-1848), amerikanischer Diplomat und Politiker. 1825 zum sechsten Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. [3] John Quincy Adams war aus Russland und Skandinavien kommend über Dänemark in Richtung Niederlande gereist. In Kiel hinderte ihn zunächst der Wind und anschließend das Eis im Hafen an einer Weiterfahrt. So entschloss er sich auf dem Landweg weiterzureisen. Er kam am 11. März 1783 in Hamburg an - hielt sich dort fast einen Monat auf - und reiste anschließend über Bremen weiter in die Niederlande ("I arrived at Hamburg on the 11th of March. I stayed there near a month.", Writings of John Quincy Adams, Vol. 1. Hague July 23d. 1783.) [4] Staatsarchiv Hamburg (StA Hbg), 111-1 CL. VI No 16 p Vol. 1 Fasc. 1a. Extractus Protocolli Senatus Hamburgensis. Veneris d: 28. Martii 1783. [5] "Johanna Cornelia, muß ungewöhnlich schön gewesen sein, wie es auch ihr im Besitz meiner Tante Anna de Boor befindliches lebensgroße Oelportrait beweist." In Familienarchiv de Boor - Landesarchiv Schleswig Abt. 399.9 Nr. 46. Aufzeichnungen des Archivardirektors Dr. Albert de Boor über seine Jugendzeit. [6] "Demoiselle de Boor in Allersheim"; aufgeführt im Verzeichnis der Subskribenten des von Joachim Heinrich Campe 1787 veröffentlichten sechsten Teil der: "Allgemeinen Revision des gesammten Schul-und Erziehungswesens". Der Pädagoge Joachim Heinrich Campe (1746-1818) ging in Holzminden zur Schule und eröffnete 1777 eine Erziehungsanstalt vor den Toren Hamburgs. 1786 wurde er nach Braunschweig berufen um das Landschulwesen zu reformieren. [7] Hessisches Staatsarchiv Marburg. Best. 123, Nr. 149. Eheverspruchsklage des Müllers Ludwig Neuschäfer in der blauen Mühle im Tränketal gegen die Demoiselle Cornelia de Boor zu Arolsen. Exceptivischer Vortrag des Advocaten Wilhelm Pflücker. [8] Johann Friedrich Wilhelm Pflücker (1772-1829), Justizsekretär zu Arolsen, ab 1817 Hofgerichtssekretär, später Kanzleirat zu Korbach. [9] Im Januar 1807 hatte der Mühlenbesitzer Ludwig Neuschäfer das vor dem rauhen Berge am Cülter Wege gelegenen Rottelandes ad 7 Morgen 100 Ruthen meistbietend zum Verkauf angeboten. Waldeckisches Intelligenz-Blatt, Nr. 4, 1807. [10] Fürstlich Waldeckisches Intelligenz-Blatt. No. 12., 1810. [11] Dr. Thomas Böger (1773-1812), hochfürstl. Waldeckischer Hofrath und Leibarzt. Im März 1801 zum Hofmedico in Arolsen ernannt. In einer handschriftlich verfassten Bescheinigung über den Gesundheitszustand der Mademoiselle de Boor vom 22. Juni 1810. [12] Hessisches Staatsarchiv Marburg. Best. 123, Nr. 149. Eheverspruchsklage des Müllers Ludwig Neuschäfer in der blauen Mühle im Tränketal gegen die Demoiselle Cornelia de Boor zu Arolsen. Antwortschreiben des Konsistoriums vom 11.07.1810. [13] Familien-Nachrichten der Familie de Boor von Dr. Carl de Boor, niedergeschrieben Anfang des Jahres 1853. [14] Ausschnitt des Gemäldes von Wilhelm Böttner (1752-1805). Der Kasseler Akademie-Direktor malte Cornelia de Boor im Jahr 1795. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
© Ulrich A. de Boor 2015 |