22.01.2022 09:49
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Charlotte von Böhme, geb. de Boor (1772-1842)

    Joh. Abraham
de Boor
1732-1799
oo Maria Elis.
Timmermann
1746-1810
       
      |          
             Cornelia

1768-1833
Wilhelmine

1770-1770
Andreas Ludewig
von Böhme
1776-1828
oo Charlotte
de Boor
1772-1842
Carl
Friedrich
1776-1848
 
          |      
          Ludwig A.

1810-1824
Gustav

1811-1890
   
Caecilie Charlotte von Böhme, geb. de Boor * 24.04.1772 in Hamburg, † 15.06.1842 in Lübeck, Tochter des Johann Abraham de Boor, Kaufmann in Hamburg und der Malerin Maria Elisabeth, geb. Timmermann (T. d. Jochim Timmermann).

Caecilie Charlotte war nach Cornelia und Wilhelmine das dritte Mädchen. Der Pastor zu St. Michaelis, Johann Matthias Liebrecht hielt im Taufbuch[1] zwar den Namen Coecilia Charlotta fest, sie selbst schrieb sich später aber abwechselnd Cecilie, Caecilie aber auch Cecilia und aus dem Rufname Charlotte wurde schließlich einfach Lotte.

Von ihrer Jugend ist nichts überliefert, zweifellos wuchs sie aber zunächst ohne große Sorgen auf, denn der Vater galt bei seiner Verheiratung als vermögender Mann und auch die Mutter, Tochter eines bekannten Weinhändlers, brachte ihre musikalische und künstlerische Erziehung in die Ehe ein. Während der Bruder schon früh beim Rektor des Johanneums in Pension gegeben wurde, hatte ihre Schwester Cornelia schon in jungen Jahren den Kontakt zur Familie abgebrochen und lebte später unverheiratet in Hessen.

Nach dem Tode ihres Vaters heiratete die Mutter den langjährigen Freund der Familie, den Lizentiaten Dr. Friedrich Gerhard Vogel, in dessen Haus - Kohlhöfen 66 - Charlotte schon seit ihrer Kindheit wohnte. Hier traf sich mehrmals wöchentlich ein kleiner Cirkel[2], der den Erzählungen des Stiefvaters Vogel lauschte oder es kamen Gäste zu Gesellschaftsabenden, bei denen Charlotte Klavier und Gitarre spielte. Abwechslung brachten ihr die zahlreichen Bälle bei den Kaufmannsfamilien (Sieveking, Schimmelmann, Rücker etc.), die ihre Landsitze entlang der Hamburger Elbchaussee bis nach Dockenhuden hatten und wo sich auch das Gartenhaus befand, in dem sich die Familie den Sommer aufhielt. Gelang es ihr nicht, eines der begehrten Billets zu bekommen, ging sie mit Freundinnen in das französische Schauspielhaus, in die Oper oder in einen Conzert im rohten Hause welches von Cario dirigiert und alle virzehn Tage gegeben wird. Es sind meistens nur Musikliebhaber welche sich da hören laßen."[3] Im Februar 1803 berichtet sie ihrem in Paris weilenden Bruder:

Mittwoch brachte ich mit Hanchen den Tag bey Nonnen zu um Donnerstag Billets zur Comödie bey Flohr, die er uns schickte, nut=
zen zu können. Man gab die Hagestolzen, und eine Posse, der Comet. Im ganzen ward gut gespielt. Flohr machte im ersten Stück die alte Schwester des Hofrahts, sah ganz schicklich aus, und spielte recht gut.
Auf morgen, schickte uns Godfroi Billets zum Schauspiel. Stille
Wasser sind tief, ist das Stück. Wir kontn sie nicht annehmen weil wir Gäste erwarten. Dumas, dann Landold, Gurlit, Nonnen, Ulisses,
Brahsey, und Surlau einen Vetter Lorents den ich der Musik
wegen gebeten habe, er singt sehr hübsch. Er ist der Verlobte von Mes Brand.
"[4]  



1803 besuchte sie Freunde in Itzehoe und machte vermutlich dort die Bekanntschaft mit Andreas Ludewig von Böhme, der als Adjudant in der dänischen Armee diente und vorübergehend in dem Ort einquartiert war. Nach seiner Entlassung übernahm er im Frühjahr 1809 als Capitain die Dragoner-Compagnie in Hamburg, wo er - inzwischen mit Charlotte verheiratet - beym Dragonerstall No. 45 wohnte[5]. In den nächsten beiden Jahren wurden die beiden Söhne Ludwig A. und Carl Gustav geboren. Nach dem Fall Napoleons nahm der Ehemann, der seit 1811 im Range eines Rittmeisters in der französischen Armee diente, seinen Abschied.  
Im Testament ihres 1814 verstorbenen Stiefvaters wurde sie mit der beträchtlichen Summe von 50.000 Mark Banco bedacht, die es ihnen im Frühjahr des Jahres 1815 ermöglichte das in Konkurs befindliche adlige Gut Bockhorn (bei Plön in Holstein) zu ersteigern. Das darauf befindliche Wohnhaus war einstöckig, mit einem geräumigen Souterrain und zweien nach hinten ausgebauten Flügeln."[6] Bereits 5 Jahre später verkaufte von Böhme das Gut mit erheblichen Gewinn und siedelte 1820 mit Frau Kindern zunächst nach Oldesloe über.
Um den Söhnen den Besuch einer höheren Schule zu ermöglichen, zog die Familie im Frühjahr 1823 nach Lübeck[7]. Hier wohnten sie zunächst in der Altstadt, Große Petersgrube Nr. 412 (heute Nr. 12)[8]. Der Aufenthalt am Gymnasium endete jedoch schon in der zweiten Klasse des Katharineums, als der Sohn im Herbst erkrankte und schließlich am 20. November 1824 durch ein hitziges Nervenfieber starb. 1827 ging der jüngere Sohn Gustav, der von Kindheit auf eine große Neigung zum Seewesen hatte - dies aber zunächst den Eltern zuliebe aufgab - nach Hamburg, um als Schiffsjunge anzuheuern. Die Neigung war so stark, dass sie wieder durchbrach, als der Vater an der Schwindsucht erkrankte. Kinderlos zog das Ehepaar abermals um, diesmal in die Fischstraße 82[9]. In diesem Haus starb Charlottes Ehemann in der Nacht vom ersten auf den zweiten April 1828, nachdem er anderthalb Jahre an der Lungensucht gelitten hatte[10].

Auch mit ihre Gesundheit stand es nicht zum Besten: „Über 15 Jahre lang war sie beständig höchst kränklich gewesen, so daß sie jeden Augenblick geglaubt hatte zu sterben."
[11] Dies hinderte die Witwe jedoch nicht in das Marien-Magdalena-Quartier, Breitenstraße 826 und zwei Jahre darauf in das Haus Mühlenbrücke 769, zu ziehen[12].
Um das Jahr 1833 zog Charlotte v. Böhme nach Altona, ganz in der Nähe ihres Bruders, der nach dem Ausbruch der Cholera in Hamburg der Stadt fernblieb und seitdem ganzjährig mit der Familie auf dem Landsitz in Dockenhuden wohnte. Carl Friedrich de Boor siedelte jedoch schon im November 1834 nach Oldesloe um, so dass auch Charlotte wenig Anlass hatte sich länger in Hamburg aufzuhalten, zumal ihr Sohn Gustav seit kurzem als Schiffskapitän von Lübeck ausfuhr und im Begriff war zu heiraten.
So kehrte sie nach Lübeck zurück und lebte dort zusammen mit Sohn, dessen Frau und Schwiegermutter Reimer im Haus Trave bey der Fischstraße 116, wo sie noch die Geburten dreier Enkelkinder erlebte, ehe sie Mitte des Jahres 1842 starb.
 
 
 
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[1] Staatsarchiv Hamburg (StA Hbg), 512-7 St. Michaeliskirche, Geburts- und Taufbücher. Taufbuch 1771-1773. Unter dem 28. April 1772 als Paten festgehalten: Coecilia Beetz, Maria Oswald und ihr späterer Stiefvater Friedrich Gerhard Vogel. 
[2] Darunter waren der spätere Historiker Friedrich Christoph Schlosser (1776-1861), der holländische Diplomat Johann Gotthard Reinhold (1771-1838) und dessen unverheiratete Schwester Susanne Eleonore Friederike Reinhold (1773-18??).
[3] Familienarchiv de Boor - Landesarchiv Schleswig Abt. 399.9 Nr. 21. Briefe des Dr. Carl Friedrich de Boor aus Paris an seine Schwester Lotte u.a. mit Gegenbriefen Lottes 1802-1803.
Anm.: Das Rothe Haus war ein Gasthof in der gr. Reichenstraße, in dem alle 14 Tage vor Musikliebhabern ein Konzert gegeben wurde. Als Dirigent fungierte der Organist der engl. Kirche Johann Peter Heinrich Cario.
[4] Ebd.
Anm.: Sowohl Johann Rütger Flor (1758-1845) als auch Peter Godeffroy (1749-1822) unterhielten in ihren Häusern kleine "Liebhaber-Theater", in denen vor ausgesuchten Gästen Stücke aufgeführt wurden.
[5] Hamburgisches Adress-Buch auf das Jahr 1810. Abschnitt: Liste der Herren Staabs- und Oberofficiere bey hiesiger Garnison, und wo selbige wohnen.
[6] VON SCHRÖDER, Johannes: Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek. 1841.
[7] GOERING, Dr. A.: Neunzehnte Fortsetzung von Nachrichten über die St. Catharinenschule in Lübeck, 1825. Direktor der Schule über das Schuljahr 1824/25.
[8] Lübeckisches Adreß-Buch 1824.
[9] Lübeckisches Adreß-Buch 1828.
[10] Mitteilung zum Tode des Rittmeisters Andreas Ludwig von Böhme in: Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unparteyischen Correspondenten, Ausgabe Nr. 57 vom 8. April 1828.
[11] Familien-Nachrichten der Familie de Boor von Dr. Carl de Boor, niedergeschrieben Anfang des Jahres 1853.
[12] Lübeckisches Adreß-Buch 1830 und 1832.



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