27.12.2020 13:00 | ||||
Das Landhaus de Boor in Dockenhuden |
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Auf einem Geesthang an der Elbe, im heutigen
Blankenese, befand sich zwischen Dockenhuden und Mühlenberg ein Landgut,
das schon Anfang des 17. Jahrhunderts urkundlich erwähnt wird. Auf dem
Areal befand sich neben altem Baumbestand und sechs Fischteichen ein
Freihof, dem später durch Aufteilung des Anwesens weitere Höfe und
Häuser folgten. Wann das im nördlichen Teil gelegene Landhaus entstand,
ist nicht bekannt, jedoch finden sich unter den ursprünglich noch
ungeteilten Landbesitz folgende Eigentümer und Pächter: |
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1715 ging der damalige Besitzer des Freihofs Oberst Jacob Hanssen (Hansen) in Konkurs und der Königlich Preussische Secretarius in Hamburg Johann Gottfried Griesch erstand den Hof. Am 11. Oktober 1719 ging er in den Besitz von Gerhard Joachim Gehrhof aus Hamburg. Später bewohnte das Anwesen der Mediziner Philipp Ignaz Meyerhof, der seit 1725 als Arzt in Hamburg tätig war und 1730 nachträglich in Kiel zum Dr. med. promovierte. Am 18. Februar 1733 kaufte der mecklenburgische Landcommissar Ernst H(e)inrich Forch das Areal, ehe es in das Eigentum des Kanzleirates Dr. Henrich Rogge überging. Dieser verkaufte das Landgut in Dockenhuden 1749 an Rudolph von Neuendahl, der seit 1740 dem Herzog von Mecklenburg als Hofmarschall gedient hatte. Doch 1752 ging auch er in Konkurs. Der neue Besitzer Johann Christopher Grabe erfreute sich ebenfalls nur kurz an dem Gut, schon am 3. Dezember 1753 verkaufte er den Hof an den Eingesessenen Ambrosius Hinrich Piccart. In der Folge wurde das Gelände geteilt, der südliche Teil ging zunächst als Erbpacht an den Engländer William Hutchinson, während der nördliche Teil im Besitz der Familie Piccart blieb (N° 2). 1789 "verhauerte" die Witwe Piccart ihn an den Licentiaten Friedrich Gerhard Vogel, der seit 1765 als Advokat in Hamburg tätig war. In Sichtweite entstanden wenig später die beiden Landhäuser der Kaufleute Peter und Jean Cesar Godeffroy, denen in den nächsten Jahren weitere Bauten in der Gegend folgten. | ||||
Ländereÿen
im Dorfe Dockenhuden, 1789 [1] |
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Der Jurist Vogel nutzte das Landhaus jedoch
nur in den Sommermonaten, während er den Rest des Jahres im Haus der befreundeten
Familie de Boor in der Hamburger Neustadt wohnte. Der Kaufmann
Johann
Abraham de Boor lebte mit Ehefrau
Maria
Elisabeth und Kindern - deren Pate Vogel war - seit den 1770er
Jahren in den Kohlhöfen N° 66. Nach dem Tode des Joh. Abraham de Boor (†1799) heiratete die Witwe 1801, schon über 55 Jahre alt, den langjährigen und mittlerweile erblindeten Freund. 1803 kaufte F. G. Vogel das Dockenhudener Landhaus schließlich der Witwe Piccart ab und ließ es bei der Pinneberger Brandgilde mit stattlichen 6.500 Thalern versichern. Lic. Vogel hatte sich inzwischen aus dem Geschäftsleben zurückgezogen und seine Advokatenpraxis an den Stiefsohn Carl Friedrich de Boor übergeben, der 1806 die Tochter des Bürgermeisters Amsinck ehelichte. Der Bau eines zweiten Hauses auf dem Areal, für das es bereits eine Bauzeichnung des hochfürstll. sachsen-weimarischen Baurathes Johann August Arens gab, wurde jedoch nie verwirklicht.[2] Während der Besetzung Hamburgs durch franz. Truppen hatten sich im Frühjahr 1814 die zur Befreiung anrückenden russischen Soldaten in den Landhäusern einquartiert. Die Familie hielt sich daher schon seit dem Winter in Gartenhaus auf. Der alte Besitzer, wohl bemüht das Schlimmste zu verhindern, erkrankte inmitten der chaotischen Verhältnisse und starb im März 1814. |
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Ausschnitt der Elbuferkarte
von Ch. Fuchs, um 1850 |
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Der Dockenhudener Landbesitz ging danach
an den Stiefsohn C. F. de Boor über, der ihn die nächsten 20 Jahre mit Frau
und Kindern
aus zweiter
und dritter Ehe als Sommersitz nutzte. Fünf seiner Kinder erblickten auf
dem Anwesen das Licht der Welt, und seine erstgeborene Tochter Johanna feierte
dort ihre Hochzeit. Letzteres wurde notwendig, da im Herbst des Jahres 1831
die Cholera in Hamburg ausbrach und die Familie de Boor fortan ganz auf
dem Landgut lebte. Im darauffolgenden Jahr verkaufte Carl Friedrich de Boor
das Stadthaus und im Frühjahr 1833 begann er meistbietend Teile des Mobiliars
aus dem Landhaus zu versteigern, da man nach dem Tod des Schwiegervaters
zu dessen Witwe ins holsteinische Oldesloe übersiedeln wollte. Das Anwesen in Dockenhuden wurde derweil an den Kaufmann und späteren preußischen Generalkonsul William O'swald vermietet. Nach Carl Friedrich de Boor wurde dessen Sohn Claus de Boor neuer Eigentümer, der mit Eintritt in die Volljährigkeit in den Besitz des Landhauses gelangte. Ebenfalls als Advokat tätig, vermählte er sich mit der ältesten Tochter des Senators Peter Siemsen, ehe er das Anwesen Michaelis 1851 an Joh. Cesar VI. Godeffroy verkaufte. |
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Villa de Boor (um 1850) [3] |
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Godeffroy vereinigte das rund 12.800
m² große Areal
(zwischen Elbchaussee und Kirchenstraße, heute Pepers Diek) mit
seinem in der Nachbarschaft gelegenen Besitz (Hirschpark) und ließ das
Gebäude umbauen. Als Godeffroy die herrschaftliche Garten-Besitzung im
April 1872 meistbietend wieder verkaufen musste, umfasste das Wohnhaus
einen größeren und einen kleineren Gartensalon, einen Speisesaal und
fünf Zimmer parterre, sowie acht Zimmer im oberen Stockwerk. Das
Nebengebäude enthielt eine Gärtner- und Kutscherwohnung, nebst Stallung
für vier Pferde und Wagenremise. Auf dem
parkartig angelegten Garten befanden sich neben einer großen Zahl alter
Bäume auch viele Obstbäume, große Rasenplätze und Gemüse-Anlagen.[4]
Der Landsitz ging danach an den Privatier Jacob John, der ihn 1889 an den Kaufmann Friedrich Elmenhorst verkaufte, bis ihn schließlich Friedrich Kirsten um 1900 parzellierte. Im Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 wurde der Abriss des Gebäudes beschlossen. |
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________ [1] Karte von dem in der Herrschaft Pinneberg und zwar im Kirchspiel Niensteden belegenen Dorfe DOCKENHUDEN und den dazu gehörigen Ländereÿen. Der mit N° 2 gekennzeichnete Teil war 1789 im Besitz der Wittwe Piccarten. [2] Johann August Arens (1757-1806) und seine Frau Cecilia, geb. Liebrecht (1772-1826) waren Freunde der Familie und besuchten sich häufig gegenseitig zu musikalischen Abenden. Schon 1803 war Arens fast beständig kränklich und konnte kaum noch arbeiten. Am 18. August 1806 starb er in Pisa, wohin er seiner Gesundheit halber mit Gattin gereist war. [3] "Villa de Boor", Aquarell von Carl Martin Laeisz um 1850. [4] Oeffentlicher Verkauf einer Besitzung in Dockenhuden. Hamburgische Börsen=Halle, Abend-Zeitung für Handel, Schiffahrt und Politik, 1872. |
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© Ulrich A. de Boor 2015 |